Nearshoring

8. August 2023

Nearshoring – die Antwort auf den IT-Fachkräftemangel?

Zwei Drittel der Unternehmen in Österreich beklagen einen Mangel an IT-Fachkräften. Könnte das Modell des Nearshorings eine „naheliegende“ Alternative bieten, insbesondere wenn es hierzulande nicht genügend qualifiziertes Personal gibt?

Dieser Artikel befasst sich mit Nearshoring, vergleicht es mit Offshoring und Onshoring und geht auf die Vor- und Nachteile von Nearshoring ein. Darüber hinaus wird bewertet, ob Nearshoring die Antwort auf den IT-Fachkräftemangel in Österreich sein kann.

Inhaltsverzeichnis

Beitrag von

Mag. Gerd Fajfar

Gründer und Vorstand von iTEC Informationssystem AG

Mag. Gerd Fajfar ist IT-Personaldienstleistungs-Experte und leitet seit über 20 Jahren die Firma iTEC Informationssysteme AG, die insbesondere auf die Personalbereitstellung und Arbeitskräfteüberlassung von IT-Fachkräften spezialisiert ist.

IT- Outsourcing im Jahr 2023

Die Softwareentwicklung ist ein komplexes und wettbewerbsintensives Feld, daher kann es eine große Herausforderung sein, die richtige IT-Fachkraft für Ihr Projekt zu finden. Aus diesem Grund greifen immer mehr Unternehmen auf das IT-Outsourcing-Modell zurück.

Einfach ausgedrückt ist Outsourcing der Prozess der Beauftragung eines Dritten mit der Erfüllung Ihrer Softwareentwicklungsanforderungen. Dabei werden spezifische Aufgaben und Projekte an externe Unternehmen oder Remote-Teams delegiert. Auf diese Weise können Unternehmen, anstatt das eigene Team in Voll- oder Teilzeit einzustellen, externes Personal für ein bestimmtes Projekt beschäftigen.

Es ist erwähnenswert, dass dieses Modell der geschäftlichen Zusammenarbeit keine Beschränkungen hinsichtlich des Standorts sowohl des Dienstleisters als auch des Kunden hat. Je nach Entfernung zwischen den Parteien werden jedoch drei Grundtypen von Outsourcing-Dienstleistungen unterschieden, nämlich Offshoring, Onshoring und Nearshoring.

Onshoring, Nearshoring und Offshoring / Farshoring –
eine kurze Übersicht

Offshoring / Farshoring

Auf der Suche nach dem besten Preis für die Dienstleistung entscheiden sich Unternehmen oft dafür, ihre Softwareentwicklungsanforderungen an einen weit entfernten Standort zu verlagern und Remote-MitarbeiterInnen aus dem Nahen Osten, Indien oder China einzustellen. Auf diese Weise werden teure Dienstleistungen, die von lokalen Auftragnehmer*innen erbracht werden, nach und nach durch die Zusammenarbeit mit Spezialisten und Spezialistinnen aus Standorten mit niedrigeren Betriebskosten ersetzt.

Die Vorteile dieser Vorgehensweise liegen vor allem in der Preisstruktur – Materialien und Arbeitskräfte sind in diesen Ländern günstiger, so dass das Unternehmen mehr Budget für andere Projekte zur Verfügung hat. Folglich hat das Offshoring-Modell das Potenzial, die Einnahmen des Unternehmens zu erhöhen. Obwohl es auf den ersten Blick zu Kosteneinsparungen kommen kann, ist dieser Prozess nicht unproblematisch.

Sprachbarrieren

Beim Offshoring hat man es oft mit Entwickler*Innen zu tun, deren Muttersprache nicht dieselbe ist wie die eigene. Auch der kulturelle Hintergrund (z.B. Feiertage) und der entfernte Standort können sich auf die Qualität und Häufigkeit der wichtigen Aktualisierungen auswirken. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Sie nicht in der Lage wären, effektiv zu kommunizieren. Es muss jedoch vor der Auslagerung des Projektes berücksichtigt werden.

Zeitzonen

Viele Unternehmen, die sich für das Offshoring entscheiden, sind gezwungen zu unüblichen Zeiten zu arbeiten, nur um mit dem Projektteam im fernen Ausland in Kontakt bleiben zu können.

Die kostengünstigste Lösung ist anhand dieser Beispiele nicht immer die Beste. Auf Grund des hohen Risikos, der möglicherweise weniger stabilen wirtschaftlichen und politischen Lage in der Region des Anbieters, sowie der großen kulturellen Unterschiede und Kommunikationsprobleme, sehen immer mehr Unternehmen von der Auslagerung ihrer Dienstleistungen in den asiatischen Raum ab. Infolgedessen entscheidet man sich eher für Modelle, die mehr Stabilität bieten, wie beispielsweise das Nearshoring-Modell.

Onshoring

Das genaue Gegenteil von Offshoring ist Onshoring. Onshoring bedeutet im Wesentlichen, dass man einen Subunternehmer im selben Land wie Ihr Hauptunternehmen einsetzt. Beispielsweise kann ein Unternehmen in Wien einen Softwareentwickler in Zwettl mit der Durchführung eines Projekts beauftragen. Bei der Auswahl eines Entwicklers außerhalb der Hauptstadt sind die Preise von Fall zu Fall niedriger. Neben Kosteneinsparungen gibt es auch keine Probleme mit Sprachbarrieren, zusätzlichen Urlauben, unterschiedlichen Zeitzonen oder anderen kulturbedingten Hindernissen, was die Kommunikation erheblich erleichtert. Zwar sind die erzielten Einsparungen in der Regel nicht so groß wie beim Offshoring, dennoch bietet dieses Modell deutlich mehr Sicherheit und Stabilität.

In der Theorie macht dieses Modell auch Sinn. In Anbetracht der aktuellen Arbeitsmarktsituation, wissen Firmeneigentümer*innen, Personalleiter*innen und HR-Manager, dass wir in Österreich standortunabhängig mit dem Mangel an IT-Fachkräften zu kämpfen haben und aus diesem Grund immer mehr Unternehmen auf Onshoring bzw. Nearshoring setzen .

Nearshoring ist ein strategischer Schritt für Unternehmen und Organisationen, die ihre Kosten ohne Qualitätseinbußen senken wollen. Dabei werden betriebliche Aktivitäten in das nahegelegene Ausland verlagert, z. B. in osteuropäische Länder oder an das eigene Land angrenzende Länder. Für ein österreichisches Unternehmen sind die Balkanländer, Polen, Slowakei oder die Tschechische Republik typische Nearshoring-Ziele. Das Konzept des Nearshorings gewinnt zunehmend an Attraktivität, da es eine Reihe von Vorteilen gegenüber dem traditionellen Offshoring bietet.

Analog zum Offshoring geht es beim Nearshoring um die Beschaffung von, beispielsweise Softwareentwicklungsdienstleistungen, aus einem anderen Land. Der Unterschied besteht darin, dass Nearshoring auf Regionen abzielt, die sowohl geografisch als auch kulturell naheliegend sind. In den letzten Jahren wird dieses Modell immer häufiger eingesetzt, um Kosten zu senken und den Zugang zu qualifizierten Arbeitskräften zu verbessern.

Nearshoring ist deshalb wahrscheinlich die kosteneffizienteste Form des IT-Outsourcings, da es Zugang zu qualifizierten Arbeitskräften zu geringeren Risiken als Offshoring bietet. Darüber hinaus ermöglicht Nearshoring den Unternehmen, die Kontrolle über ihre IT-Dienstleistungen zu behalten, da der Fortschritt der Projekte leichter überwacht werden kann.

Vorteile und Nachteile von Nearshoring

Nearshoring bietet eine Reihe von Vorteilen für Unternehmen, die IT-Dienstleistungen auslagern möchten. Dazu gehören der Zugang zu qualifizierten Arbeitskräften, eine verbesserte Kommunikation, ein schnellerer Zugang zu Ressourcen und eine bessere Kontrolle über das Projekt. Darüber hinaus bietet Nearshoring mögliche Kosteneinsparungen, da Unternehmen weniger für Arbeitskräfte und andere Ressourcen bezahlen müssen.

Ist Nearshoring die Antwort auf den IT-Fachkräftemangel in Österreich?

Der IT-Fachkräftemangel in Österreich ist ein wachsendes Problem, da dem Land der Zugang zu qualifizierten IT-Fachkräften fehlt. Österreichische Unternehmen wenden sich deshalb zunehmend dem Nearshoring zu, um die entstandene Personallücke zu schließen. Dieses Modell kann auf Grund der oben genannten Vorteile eine attraktive Option für Unternehmen, für die Auslagerung von IT-Dienstleistungen.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass Nearshoring keine Universallösung für den IT-Fachkräftemangel ist. Selbst wenn entsprechendes Personal durch das Nearshoring Modell, beispielsweise aus der Slowakei bereitgestellt werden kann, müssen unternehmensinterne Ressourcen für Onboarding aufgewendet werden. Desweiteren ändern sich laufend die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen, die ebenfalls entsprechend überwacht und ggf. angepasst werden müssen. Aus diesem Grund haben sich seit den späten 90er Jahren Personaldienstleistungsunternehmen und andere Beratungsfirmen auf dieses Modell spezialisiert.

Anbieter von Nearshoring

Es gibt eine Reihe von Unternehmen die Nearshoring-Dienste anbieten, darunter IT-Personalagenturen, Nearshore-IT-Dienstleister und Nearshore-BPO-Anbieter. Diese Unternehmen können eine Reihe von Dienstleistungen anbieten, von der Vollzeitbesetzung bis zum projektbezogenen Outsourcing. Außerdem haben viele dieser Unternehmen Erfahrung in der Zusammenarbeit mit internationalen Kunden und können zusätzliche Unterstützung in Form von Kultur- und Sprachtraining anbieten.

Welche Faktoren sind bei der Auswahl eines Outsourcing-Partners zu beachten?

Budget – wie viel wollen Sie für Ihre Softwareentwicklung bezahlen und welche „zusätzlichen“ Kosten sind mit dem Outsourcing verbunden? Es ist auch wichtig, den Grad des Engagements jeder Partei zu bestimmen.

Kommunikation – wie stark möchten Sie in das Projekt einbezogen werden und wie wichtig ist Ihnen eine regelmäßige Kommunikation? Die Qualität der Ergebnisse einer Zusammenarbeit hängt in hohem Maße von einem reibungslosen Informationsfluss ab, weshalb die Kommunikation bei der Auswahl eines Outsourcing-Partners von großer Bedeutung ist.

Zusammenarbeit – Die Zusammenarbeit mit einem Remote-Team erfordert ein angemessenes Vorgehen, insbesondere bei der Entscheidung für Offshoring oder Nearshoring. Legen Sie immer die Termine für die Projektabwicklung und gemeinsame Ziele fest. Weisen Sie gleich zu Beginn auf die Notwendigkeit hin, dass Projektstatusmeetings (wie tägliche Statusberichte, regelmäßige Treffen oder Videokonferenzen) von jeder Partei abzuhalten sind.

Vertrauen – Können Sie dem externen Unternehmen vertrauen? Wenn Sie Bedenken haben, dass vertrauliche Daten weitergegeben werden oder Sie befürchten, dass sie an jemand anderen weitergegeben werden, sollten Sie eine entsprechende Vereinbarung treffen. Ein entsprechender Rahmenvertrag ist ein gängiges Mittel zur Festsetzung der Geschäftsbedingungen.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Nearshoring für Unternehmen, die IT-Dienstleistungen in Österreich auslagern wollen, eine attraktive Option ist, da es Zugang zu qualifizierten Arbeitskräften zu möglicherweise niedrigeren Kosten bietet. Es kann Unternehmen dabei helfen, auf qualifizierte IT-Fachkräfte in der Nähe zuzugreifen. Die Unternehmen müssen jedoch sicherstellen, dass sie die lokalen Gesetze und Vorschriften einhalten und über die nötige Infrastruktur verfügen um das Projekt zu unterstützen. Letztendlich ist Nearshoring eine der vielen Optionen die Unternehmen zur Verfügung stehen, die IT-Dienstleistungen auslagern oder die Personallücke in ihrer IT-Abteilung schließen wollen.

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